Methoden

Prozessorientierte Psychologie nach Arnold Mindell

Text: Margrit Lienhart

Die prozessorientierte Psychologie, auch Prozessarbeit genannt, wird seit 1981 von Arnold Mindell und seinen Mitarbeitenden entwickelt. Prozessarbeit ist ein interdisziplinärer und erfahrungsbasierter Zugang zu persönlichen und kollektiven Veränderungsprozessen. Sie bietet neue Wege an, um mit Lebensbereichen arbeiten zu können, die als problematisch oder schmerzhaft erlebt werden. Wenn somatische Symptome, Beziehungsprobleme, Gruppenkonflikte und soziale Spannungen mit Neugierde und Respekt beobachtet und entfaltet werden, dann können all diese Erfahrungen neues, für persönliches und/oder kollektives Wachstum entscheidendes Wissen und neue Möglichkeiten der Lebensgestaltung hervorbringen.

Prozessarbeit folgt in erster Linie dem sich stetig verändernden Fluss menschlicher Erfahrung. Mindell (1993) definiert ‘Prozess’ als ‘Bewegungsfluss’ von Signalen in verschiedenen Wahrnehmungskanälen. Prozessorientierte Arbeit unterstützt Menschen dabei, einen Prozess zuerst einmal überhaupt wahrzunehmen und diesen dann zu entfalten. Der Ansatz ist phänomenologisch, also wahrnehmungsorientiert. Er setzt an den subjektiv erfahrenen und beschriebenen Phänomenen und Problemen von Menschen an. Prozessarbeit geht dabei davon aus, dass der Schlüssel für einen gewinnbringenden, heilsamen Umgang mit Störungen (beispielweise Körpersymptome, Beziehungsprobleme, Konflikte mit anderen Menschen, soziale Spannungen) in diesen selbst liegt. Sie stellt Werkzeuge zur Verfügung, mit deren Hilfe Einzelpersonen, Paare und Gruppen mehr Bewusstsein und kreativen Lebensausdruck entwickeln können. 

In den folgenden Ausführungen beziehe ich mich auf Ausbildungsunterlagen des Institutes für Prozessarbeit (Basislehrgang Modul A, Seminar 1).

Die vielfältige Arbeitsmethodik der Prozessarbeit entwickelte sich auf der Grundlage eines innovativen Prozessparadigmas, welches als Landkarte und Orientierung für Menschen dienen kann, die aus persönlichen und beruflichen Gründen an innerem Wachstum und an Gestaltung von gesellschaftlicher Gegenwart und Zukunft interessiert sind. Dieses Prozessparadigma verwendet ein dreiteiliges Modell der Wahrnehmung, wie Menschen Wirklichkeit erfahren können: 

Die Konsensusrealität: Diese Ebene der Wirklichkeit stellt die Alltagsrealität mit objektiv messbaren Informationen dar. Zentrales Charakteristikum ist die Bildung von Identität und die Tendenz, störende Erfahrungen zu marginalisieren. Hier zeigt sich in der Regel der primäre Prozess (PP) und meint damit alles, was mit unserer persönlichen Identität näher verbunden ist (Ich) (zB: ‘Ich bin überhaupt nicht aggressiv’

Die Traumwirklichkeit (Emergenzebene): Hier begegnen sich Alltagsrealität und Traumwirklichkeit in komplementärer Weise. Charakteristikum dieser Ebene sind Polaritäten. Bewusstseinsfernere Inhalte (Nicht-Ich), sind Sekundärprozesse (SP) und werden als etwas der Person Zustossendes erfahren. Sie zeigen sich als Signale, zum Beispiel in Form von Körpersymptomen, Tag- und Nachtträumen, veränderten Bewusstseinszuständen, Beziehungs- und Gruppenkonflikten. (zB ‘Ich bin überhaupt nicht aggressiv’ und gleichzeitig mit der geschlossenen Hand auf den Tisch hauen). Diese sogenannten Doppelsignale können mit Mitteln der Prozessarbeit der Wahrnehmung zugänglich gemacht und bearbeitet werden. 

Das Feinspürbewusstsein (Essenzebene) ist die der Wirklichkeit zugrunde liegende Ebene der Ganzheit, wo alles und alle miteinander verbunden sind (das ‘Tao der Taoisten’, um nur ein Beispiel zu nennen). Hier zeigen sich sogenannte ‘flackernde Signale’, Stimmungen, Intuitionen, irrationale Wahrnehmungsphänomene und Ähnliches. Durch das Entfalten solcher Tendenzen aus dem Feinspürbewusstsein können wir eine dem Leben zugrunde liegende nicht-duale Wesensqualität erfahren. 

Die prozessorientierte Arbeitsweise in der Beratung ermöglicht Zugang zu bewusstseinsferneren Erfahrungen. Durch das sorgfältige, respektvolle und wertfreie Entfalten (Amplifikation) von Signalen in unterschiedlichen Wahrnehmungskanälen (visueller Kanal, auditiver Kanal, propriozeptiver Kanal, kinästhetischer Kanal, Beziehungskanal und Weltkanal) wird im gelungenen Fall der Sinn hinter sekundären, als störend empfundenen Prozessen fassbar. Es können sich Optionen für nächste Schritte in einem Entwicklungsprozess zeigen.

Die Grenze zwischen Primär- und Sekundärprozess ist der Ort, wo Bewusstsein entstehen kann, die Zone des Wachstums. An der Grenze zeigen sich Ängste, Blockaden, Glaubenssysteme, die gegen die Erfahrung des Unbekannten schützen. Als Beraterin unterstütze ich das Erkennen von Grenzen und das Amplifizieren von Grenzphänomenen (Signale in unterschiedlichen Kanälen). Durch sorgfältige Grenzarbeit kann die Klient*in ihre Identität erweitern, indem bisher sekundäres Material in der Alltagsidentität integriert werden kann.

Prozessarbeit deutet aktuelle Prozesse nicht von der Vergangenheit her, sondern stets auf die Zukunft hin gerichtet (Konzept der Finalität). Nebst Methoden und Werkzeugen ist die Haltung einer Prozessarbeiter* in entscheidend: So ist Prozessarbeit durchdrungen von der sogenannten ‘Tiefen Demokratie’. Das meint eine Haltung (der Berater*in, Anmerkung der Verfasserin), die alle Teile und Stimmen eines Feldes oder Prozesses und Erfahrungen auf allen Ebenen der Wahrnehmung willkommen heisst und zu würdigen vermag. Dies setzt eine stetige Bereitschaft zu Weiterbildung, Selbsterfahrung und Metakommunikation voraus. Weitere unabdingbare Grundhaltungen, hilfreiche und trainierbare Qualitäten des Seins der Prozessarbeiter*in werden als sogenannte Metaskills beschrieben.

Literaturangabe: Mindell, Arnold (1993): Traumkörperarbeit oder: Der Lauf des Flusses. Junfermann: Paderborn.

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